Abschied

Seit gut zwei Wochen bin ich nun bereits wieder in Landau, nachdem ich am 14.8. nach einem insgesamt 18h-Flug (mit Zwischenlandung in Istanbul) wieder in Frankfurt gelandet bin. Ich wurde am Flughafen nicht nur von meinen Eltern begrüßt sondern - als sehr gelungene Überraschung! - auch von meiner Schwester Patricia und meinen Freundinnen Jana, Paule und Nathalie. Und zwar mit Luftballons, Blumen und Welcome-Home-Schildern:):):)
In Deutschland habe ich mich schon wieder vollkommen eingelebt - was schnell geht bei alldem Zimmer-Suchen und Uni-Vorbereiten, in einem Monat beginnt schließlich mein Medizinstudium in Mannheim.
Trotzdem möchte ich noch einen abschließenden Blogeintrag schreiben, in dem ich von meinem letzten Monat in Vietnam berichte und meine Lieblingsorte in Hanoi mit euch teile.

Juli und August waren verbunden mit vielen "letzten Malen": das letzte Treffen beim deutschen Stammtisch und Abschied von den vielen VietnamesInnen, die deutsch lernen und auf einen Ausbildungs- oder Studienplatz in Deutschland hoffen. Die letzte Yogastunde und Abschied von meinem indischen Yogalehrer und den anderen Lernenden, von denen ich mich mit vielen nur über Lächeln oder leidende Blicke verständigt habe, da es an guten Englisch- bzw Vietnamesischkenntnissen mangelte. Das letzte Mal unterrichten im Blindcenter und Abschied von unseren erwachsenen Schülern (im Blindcenter haben wir nämlich im Gegensatz zur Blindschool im Juli und August noch unterrichtet). Das letzte Mal im VAF-Büro arbeiten und Abschied nehmen von den engagierten Kollegen dort. Der letzte Bananensmoothie in meinem Lieblingcafé. Das letzte Mal auf den Nightmarket gehen. Die letzten Souvenirs kaufen. Das letzte Mal eine Vermicelli Bowl in unserem Stammrestaurant essen. Die letzte Drachenfrucht. Das letzte Banh Mi bei der Verkäuferin ein paar Häuser weiter essen, die 4 Jahre lang in Ostberlin gelebt hat, sich immer freut mal wieder deutsch zu sprechen und uns einmal sogar zu sich nach Hause eingeladen hat. Das letzte Mal abends um den Hoan Kiem See laufen und anschließend vom Dach einer Bar im Old Quarter das bunte Treiben in den kleinen Straßen beobachten. Und schließlich die letzte Nacht in unserem kleinen Zimmer, das fast komplett von unseren zwei riesigen Betten ausgefüllt wird.

Ich vermisse nicht nur die Menschen, die ich in Vietnam kennengelernt habe, sondern auch Hanoi. Die Stadt, die ich anfangs laut, überfüllt und nicht gerade sauber fand, habe ich lieben gelernt. Obwohl Hanoi mit seinen 8 Millionen Einwohnern eine moderne asiatische Großstadt ist, so hat sie doch ihren alten Charme bewahrt. Hier meine 5 Lieblingsorte:

Das Old Quarter (Hoan Kiem District, nördlich des Hoan Kiem Lake im Zentrum Hanois):
Hier kann man viele alte Häuser, Tempel und Pagoden sehen. Natürlich ist alles voll mit Reisebüros und Souvenirläden, aber man findet auch immer noch Straßen, in denen ganz traditionell nur die Waren einer Sorte verkauft werden. So gibt es zB eine Metallwaren-Straße, eine Spielzeug-Straße, eine Apotheken-Straße, eine Straße für Tempel-Bedarf oder eine Ventilatoren-Straße und viele mehr. In diesem District spielt sich am Wochenende das Leben Hanois ab - die breite Straße, die um den See führt wird nämlich zur Fußgängerzone und Massen von Menschen genießen auf diesem Boulevard den Blick auf den Hoan Kiem See.


Die Long Bien Brücke, erbaut von Eiffel, führt über den Roten Fluss von Long Bien nach Hoan Kiem 

Folgt man den Schienen, kommt man zur schmalen "Train Street"

Im Old Quarter

In der "Fan Street"

Fahrräder werden immer seltener in Hanoi, alle fahren Roller


Traumhafter Blick auf den Hoan Kiem Lake und den erleuchteten Ngoc Son Tempel

Bach Ma Tempel:
Aus meiner Sicht der schönste Tempel Hanois. Mitten im Old Quarter wird hier ein weißes Pferd verehrt, dass dem früheren Kaiser Ly Thai Tho beim Beten erschienen sein soll. Er wollte eine Zitadelle in Hanoi errichten, die Steine sanken aber jedes Mal im Untergrund ein, wenn er mit dem Bau begann. Erst nachdem ihm das weiße Pferd mit dem Scharren seiner Hufe den richtigen Ort gezeigt hatte, konnte er im 11. Jahrhundert die Zitadelle von Hanoi erbauen.



Civet Coffee
... wurde das Stammcafé der Kolping-Freiwilligen. Die Lage direkt am Hoan Kiem See ist einfach toll, im Café ist es trotz der zentralen Lage sehr gemütlich und ruhig. Man muss das Café allerdings erst einmal finden: Durch einen kleinen Eingang an einem Straßenrestaurant vorbei geht es in den zweiten Stock - sowas findet man häufig in Hanoi. Unbedingt hinaus auf den Balkon setzten und den Blick auf den Hoan Kiem See (am schönsten bei Nacht!) und den verrückten Verkehr (unter der Woche) oder die Menschenmengen (am Wochenende) genießen.

Wie schon einmal erwähnt: Die Cafékultur in Vietnam ist sehr ausgeprägt, es gibt überall wunderschöne Cafés. Andere tolle Cafés sind zB The Hanoi Social Club, Nola Café, The Note Coffee (hier kann man Nachrichten an Freunde, Verwandte oder die ganze Welt auf Post Its schreiben und diese an Wände und Möbel kleben) oder das 1946 gegründete Café Giang, berühmt für seinen Egg Coffee.

The Note Coffee (am Hoan Kiem Lake)

Civet Coffee

The Hanoi Social Club ist in einem alten Kolonialgebäude

Lotte Tower:
Der größte Wolkenkratzer von Hanoi, etwas südlich des West Lake (großer See, der eigentlich im Norden Hanois liegt). Hier gibt es eine Aussichtsplattform im 65. Stock - am besten kurz vor Sonnenuntergang kommen, dann sieht man Hanoi in der Dämmerung und kann anschließend beobachten, wie nach und nach die Lichter der Stadt angehen. Großstädte bei Nacht von oben zu sehen ist immer toll!





West Lake und Tay Ho District:
Im Norden Hanois befindet sich der größte See Hanois. Oberhalb des Sees liegt der Tay Ho District, das nach dem Old Quarter schönste Viertel der Stadt mit seinen vielen kleinen Gasse und der ruhigen Atmosphäre. Hier leben die meisten "Expats" (Expatriates), weswegen man viele Westler sieht. Schön um spazieren zu gehen!


Kabelchaos

Vietnam ist ein unglaublich interessantes Land, und ich bin froh, dass ich ein Jahr dort verbringen durfte und so freundlich aufgenommen wurde. Gleichzeitig hoffe ich, dass ich etwas zurück geben konnte und vielleicht auch den einen oder anderen überzeugen konnte, einmal nach Deutschland zu reisen oder sich mit der deutschen Kultur zu beschäftigen.

Ich habe sehr viel gelernt in diesem Jahr, und mir ist vieles bewusster geworden - ich habe mich mit Themen wie Armut, Globalisierung, Plastikverbrauch, Verhältnis zu Tieren, Schönheitsidealen auseinandergesetzt. Natürlich habe ich viel über die Unterschiede zwischen Vietnam und Deutschland, aber auch über die Gemeinsamkeiten beider Länder nachgedacht. Ebenso habe ich mich mit dem Verhältnis zwischen globalem Norden und Süden beschäftigt - Themen mit denen wir uns schon vor der Abreise nach Vietnam auf dem Vorbereitungsseminar bei Kolping in Bonn auseinander gesetzt haben.

Vor allem aber habe ich selbst erlebt, wie es ist, sich völlig fremd zu fühlen und auf Hilfe angewiesen zu sein oder Heimweh zu haben. Gleichzeitig ist es auch toll zu merken, dass man von den Menschen dort angenommen wird und doch ein Stück weit ein neues Zuhause findet. Natürlich war ich in einer verhältnismäßig einfachen Situation - als Deutsche in Vietnam ist man gerne gesehen, man kommt sozusagen aus einem Modell-Land, das viele dort als Vorbild sehen. Ich habe (auch für eine Europäerin) ziemlich helle Haut, bin groß und spreche fließend Englisch - alles erstrebenswert in den Augen vieler Vietnamesen, die mir deshalb mit einer positiven Einstellung begegnet sind. Außerdem hatte ich stets die Gewissheit, nach 12 Monaten wieder nach Deutschland in meiner Heimat zurückkehren zu können und dort mit offenen Armen empfangen zu werden. Wie schwer muss es sein, alle diese Privilegien nicht zu besitzen und ohne Rückversicherungen in ein fremdes Land zu kommen?

Ich freue mich jetzt schon darauf, nach Vietnam zurückzukehren sobald es mir möglich ist. Es ändert sich alles so schnell dort, Geschäfte verschwinden über Nacht und neue werden eröffnet. Ich hoffe, einige meiner Lieblingscafés werden in ein paar Jahren noch existieren.
Ich bin gespannt, wie sich das Land weiterentwickeln wird. Einerseits ist die Öffnung zum Westen hin natürlich positiv für die Menschen und die Wirtschaft Vietnams - so bildet sich zB eine immerzu wachsende Mittelschicht. Andererseits werden einige bei dieser Entwicklung abgehängt, und die Schere zwischen arm und reich öffnet sich immer mehr. Ich kann mir vorstellen, dass dies im kommunistischen Vietnam viele sozialen Fragen aufwirft, und ich bin gespannt wie das Land damit umgehen wird. Ebenso bin ich gespannt, wie Vietnam mit den Herausforderungen umgehen wird, die mit wachsendem Wohlstand einhergehen. Ich denke zum Beispiel an zunehmende Umweltbelastungen durch Industrialisierung, Handel und Tourismus.

Ich möchte euch ans Herz legen, selbst nach Vietnam zu reisen und sich mit den Menschen, der Kultur und der Geschichte des Landes auseinander zu setzten. Am schönsten ist es dabei sicherlich, auf eine für Menschen und Natur des Landes lohnende und nachhaltige Art und Weise zu reisen. Hier stehen einem in Vietnam alle Möglichkeiten offen: es gibt viele gute Angebote von Pauschalreisen, aber auch viele Angebote und eine gute Infrastruktur von Verkehrsmitteln, Hotels und Home Stays für Leute, die lieber individuell reisen möchten. Man muss hierfür dann vielleicht etwas länger planen und suchen, dafür lohnt es sich umso mehr: für einen selbst, für die Natur und für die "kleinen Leute". Die Menschen in Vietnam verdienen dann etwas mehr an uns Touristen (weil nicht in erster Linie die Hotelketten und Reiseveranstalter das meiste abschöpfen), und man reist meist auch nachhaltiger.

Schließlich möchte ich mich bei allen bedanken, die mir dieses Jahr in Vietnam ermöglicht haben: Vietnam and Friends (meine aufnehmende Organisation), die Kolping Jugendgemeinschaftsdienste (meine entsendende Organisation) und natürlich weltwärts. Ich danke meiner Familie, meinen Freunden und allen, die mich großzügig und durch Rat und Tat unterstützt haben.  Ich werde mein Bestes tun, die in Vietnam und anderswo in Asien gewonnen Freundschaften und Verbindungen zu pflegen und zu vertiefen. Meine Erfahrungen und alles, was ich in Vietnam gelernt habe, werden mein Denken und mein Handeln, mein Studium und meine Arbeit bereichern.

Zu guter Letzt: Ich bin euch allen dankbar, dass ihr meinen Blog verfolgt habt. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, über das, was ich erlebt habe und was mich bewegt zu berichten!

Hẹn gặp lại!

Eure Antonia







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