Das Blindcenter

Zum zweiten Mal waren Zoé und ich heute im Blindcenter und haben dort geholfen blinden oder visuell beeinträchtigten Erwachsenen etwas Englisch beizubringen. Das Blindcenter liegt im Westen von Hanoi, eine Stunde mit dem Bus von unserer Wohnung, der Blindschool und dem VAF-Büro entfernt. In einem sehr schlichten Raum, der nur Tische, Stühle und zwei Ventilatoren enthält, werden Zoé und ich hier zweimal die Woche, montags und mittwochs, von 9:15 Uhr bis 11:00 Uhr Ms Mai helfen den gut 30 Schülern und Schülerinnen englisches Basisvokabular beizubringen. Der jüngste Schüler in unserer Klasse ist 19, der älteste über 60 (geschätzt). Letzte Woche haben wir Begrüßen und Verabschieden besprochen, sowie wie man fragt, wie es dem Gesprächspartner geht und wie man auf die Frage antwortet. Heute haben wir sehr lange wiederholt und dann noch die Zahlen besprochen. Der Unterricht sieht so aus: Zoé, Ms Mai und ich stehen vor der Klasse, die Schüler sitze in Reihen vor uns. Ms Mai erklärt kurz auf Vietnamesisch das Thema, da die meisten Schüler kaum bzw. kein Englisch können. Zoé oder ich lesen dann die Sätze oder Wörter vor, die Schüler sprechen uns im Chor nach. Anschließend gehen wir durch die Reihen und fragen dien Schüler einzeln ab. Danach üben die Schüler manchmal noch zu zweit, indem sie aufstehen und einen Dialog miteinander führen, während der Rest zuhört. Das ständige Vor- und Nachsprechen kann schon ziemlich eintönig sein, aber das Unterrichten macht trotzdem Spaß, weil die Schüler und Schülerinnen sehr nett sind und sich viel Mühe geben, auch wenn sie sich häufig mit der neuen Sprache sehr schwer tun (Vietnamesisch ist als tonale Sprache etwas ganz anderes als Englisch, was für die meisten auch noch die erste Fremdsprache ist). Auch wenn viele recht schüchtern sind merke ich doch, dass die Schüler sich freuen, wenn Zoé und ich in den Unterricht kommen.

Die Erwachsenen in unserer Klasse werden im Center zu Masseuren oder Masseurinnen ausgebildet, einem Berufsfeld, in welchem man auch als blinder oder sehbehinderter Mensch eine Arbeitsstelle finden und Geld verdienen kann. Da diese Arbeit eng mit Tourismus verbunden ist, sind gewisse Englischkenntnisse sehr wichtig. Deswegen stehen neben Lektionen über Smalltalk auch Vokabeln, die für eine Massage wichtig sind, sowie das telefonische Ausmachen von Terminen oder das Besprechen von Preisen auf dem Lehrplan.

Der Koordinator des Blindcenter ist übrigens selbst blind. Er spricht etwas Englisch, bei ihm haben wir bis jetzt immer vor dem Unterrichten eine Tasse Grüntee (sehr bitter!) getrunken und uns etwas mit ihm unterhalten.

Beim Warten auf den Bus


Auf dem Weg zum Blindcentre


Ich schlage mich momentan noch mit den Resten einer sehr starken Erkältung rum, die ich schon seit mehr als einer Woche habe. Anfangs war sie so stark, dass ich drei Tage zu Hause geblieben bin, aber jetzt geht es mir schon viel besser. Kein Wunder, dass man sich hier erkältet, bei dem ständigen Wechsel von schwüler Hitze, eisigen Supermärkten und Ventilatoren, die einen anpusten.
An das Wetter, das mir am Anfang wirklich zu schaffen gemacht hat, habe ich mich aber schon ziemlich gewöhnt.

Letzte Woche haben wir außerdem zwei Tage Besuch von unserem Mitfreiwilligen Jonathan bekommen, der in einem Turtle Conservation Centre  südlich von Hanoi arbeitet. Mit ihm haben wir uns den Literaturtempel angeschaut, eine der bekanntesten Attraktionen Hanois. Hier wurden seit dem Jahr 1070 Schüler ausgebildet, die in dem Tempelkomplex, der aus fünf Höfen und mehreren Gebäuden besteht, 3 Jahre lang wohnten und studierten. Sie mussten die 5 konfuzianischen Klassiker und 4 weitere Bücher auswendig lernen, Gedichte und Texte verfassen und letztendlich eine dreitägige Prüfung bestehen, um den Doktortitel zu erlangen. Die letzten Prüfungen fanden 1915 statt.

Anna, ich, Zoé, Jonathan und Franziska im Literaturtempel











Zoé und ich sind außerdem sonntags zur Gitarrenstraße gefahren, einer großen Autostraße, in der es aber einige Gitarrenläden gibt. Hier haben wir uns beide eine Stahlsaitengitarre gekauft. Als wir uns abends mit Anna und Franziska in einem Restaurant getroffen haben  und der Kellner uns mit den Gitarrentaschen gesehen hat, hat er uns aufgefordert etwas vorzuspielen. Also hat Zoé auf ihrer Gitarre Riptide von Vance Joy gespielt, während wir drei dazu gesungen haben. Das Personal hat sich sehr gefreut und hat unsere Performance auch mit dem Handy aufgenommen. Das war echt lustig!

Im Büro lernen wir weiter Vietnamesisch und üben Braille zu schreiben und zu lesen. Ab Mittwoch werden wir dann auch in der Blindschool unterrichten. Morgen werden alle Freiwilligen von VAF (auch vietnamesische), die in der Blindschool tätig sind schon einmal die Schüler in der Schule besuchen, um sich vorzustellen. Wir werden außerdem den Einstiegstest der Schüler korrigieren, den sie heute geschrieben haben, um herauszufinden welches Englischniveau sie haben.
Ich bin gespannt!

Außerdem: VAF hat einen  Lauf organisiert, bei dem Blinde und visuell Beeinträchtigte mit der Hilfe von Sehenden um den Hoan Kiem See, im Zentrum von Hanoi, laufen können. Das Ziel ist es, Blinde und Sehende näher zusammen zu bringen und Verständnis für die Situation von Blinden und visuell Beeinträchtigten herzustellen. Dazu organisiert VAF noch weiter Aktivitäten und Infostände. Der Event, der bereits 2016 stattfand, war letzten Jahr ein voller Erfolg und wird dieses Jahr voraussichtlich noch mehr Besucher und Mitmachende anziehen.
Um den Lauf zu finanzieren hat VAF eine Crowdfunding-Seite aufgestellt. Das Geld wird zum Einen für den Transport von den visuell Beeinträchtigten zum Eventort gebraucht. Außerdem soll, falls VAF es finanzieren kann, jeder blinde Läufer ein T-Shirt mit dem "2gether - Running with the blind"- Logo bekommen.  
Wer Interesse hat, hier der Link: https://igg.me/at/EOnGBYN2twU
VAF freut sich über jede Unterstützung!














Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von Vietnams Norden nach Süden

Besuch von meiner Familie & Ostern

Chay vói tôi: 2gether-Run 2017